Narzisstische Persönlichkeitszüge hängen mit einem schlechteren Ansprechen auf psychotherapeutische Behandlung zusammen. Das zeigte eine deutschlandweite Studie mit über 2000 Patientinnen und Patienten aus stationärer und ambulanter Psychotherapie. Das kürzlich im Fachjournal The Lancet Psychiatry veröffentlichte Ergebnis kann zu einer weiteren Individualisierung der Psychotherapie beitragen.
Wer sich für einen besonders großartigen Menschen hält und ein ausgeprägtes Anspruchsdenken hat, wird nach der Figur aus der griechischen Mythologie als Narzisst bezeichnet. Wenn das Bedürfnis nach Bewunderung überhandnimmt und die Selbstüberhöhung in deutliche Rivalität mündet, spricht die Psychologie von einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung.
In einer deutschlandweiten Studie mit über 2000 Patientinnen und Patienten aus der stationären und ambulanten Psychotherapie hat ein Forschungsteam des Universitätsklinikums Jena und der Universität Münster untersucht, wie sich narzisstische Wesenszüge auf die Therapie psychischer Beschwerden auswirken. Dazu erfasste das Studienteam bei den Teilnehmenden die Ausprägung narzisstischer Persönlichkeitsmerkmale sowie depressive Symptome vor und nach der Behandlung mit zwei unterschiedlichen Psychotherapiemethoden.
Zusammenhang zwischen narzisstischem Rivalitätsstreben und Depression
Besonderes narzisstisches Rivalitätsstreben ist mit stärkeren Depressionssymptomen verbunden, stellte das Studienteam in beiden Gruppen vor Beginn der Therapie fest. Der Wille, bewundert zu werden, ging dagegen mit geringerer Depression einher. „In der Patientengruppe, die mit Verhaltenstherapie behandelt wurde, hing Narzissmus mit einem schlechteren Ansprechen auf die Behandlung zusammen, auch wenn eine narzisstische Persönlichkeitsstörung nicht voll ausgeprägt war“, fasst Erstautorin Maike Richter das zentrale Ergebnis der Studie zusammen. Insbesondere wirkte sich der Aspekt der Rivalität negativ aus.
Bei der Behandlung mit einer psychoanalytisch-interaktionellen Therapie, die speziell für Menschen mit Schwierigkeiten in zwischenmenschlichen Beziehungen entwickelt wurde, war der negative Effekt von Narzissmus auf den Behandlungserfolg jedoch nicht zu finden. Die Forscher nehmen an, dass dieser Unterschied zwischen den Behandlungsmethoden auf zwischenmenschliche Verhaltensmuster zwischen Patient und Therapeutin zurückzuführen war. Weiterführende Analysen stützen laut Prof. Nils Opel vom Universitätsklinikum Jena diese These: „Wir haben Hinweise darauf gefunden, dass die negativen Effekte von Narzissmus auf eine weniger tragfähige therapeutische Beziehung zurückzuführen sind.“
Die Autoren sehen in dem Ergebnis einen wichtigen Beitrag für das Verständnis narzisstischer Persönlichkeitszüge und deren Berücksichtigung in der Therapie psychischer Störungen allgemein. „Narzissmus kann ein relevanter Faktor für die psychische Gesundheit sein, der dazu führen kann, dass eine Psychotherapie weniger wirksam ist“, betont Prof. Mitja Back von der Universität Münster. Das Studienteam empfiehlt deshalb Therapeutinnen und Therapeuten, die narzisstischen Züge ihrer Patienten und Patientinnen genau zu erfassen und ein besonderes Augenmerk auf die therapeutische Beziehung zu legen.