Verändert Künstliche Intelligenz die Intensivmedizin?

Prof. Dr. Gernot Marx ist Leiter der Klinik für Intensivmedizin und Intermediate Care am Universitätsklinikum Aachen und übernimmt 2025 die Präsidentschaft der DGAI. Im Podcast spricht er über den künftigen Einsatz der KI in der Intensivmedizin. Foto Daniel Carreño

Nach den schweren Corona-Jahren widmen sich die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) und der Berufsverband Deutscher Anästhesistinnen und Anästhesisten (BDA) derzeit intensiv der Zukunft der Intensivmedizin. Eine Frage steht dabei im Mittelpunkt: Wie kann der Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) die Intensivmedizin verändern?

Im DGAI-Podcast zum Thema spricht Prof. Dr. Gernot Marx, Leiter der Klinik für Intensivmedizin und Intermediate Care am Universitätsklinikum Aachen, über Möglichkeiten, die derzeit diskutiert werden. In der Intensivmedizin stünden pro Patient und Stunde bis zu 1000 Daten zur Verfügung, sagt der Intensivmediziner. Und genau darin lägen enorme Möglichkeiten für die Entwicklung von KI-Algorithmen, die Medizinerinnen und Mediziner künftig bei Entscheidungen unterstützen können. „Vielleicht ist es schon bald möglich, einen digitalen Zwilling für Intensivpatienten zu entwickeln, an dem wir bestimmte Dinge vorhersagen können, z. B. die Entwicklung einer Sepsis oder eines akuten Lungenversagens“, berichtet er im Podcast. Der Einsatz von KI könne Grundlegendes verändern: Zum einen ließen sich Therapien frühzeitiger beginnen, zum anderen sei eine viel individuellere Behandlung möglich. „Das heißt nicht, dass ein Computer die Patienten behandelt, sondern dass der Mehrwert von Daten uns als Entscheidungsunterstützung zur Verfügung steht“, so Marx.

Viel hängt von der Qualifikation der Intensivpflegenden ab

Dennoch seien in Zukunft wichtige politische Weichenstellungen nötig, damit die Intensivmedizin gut aufgestellt bleibe. Das Pflegepersonaluntergrenzengesetz sei dabei ein erster Schritt gewesen, der dazu geführt habe, dass mehr Pflegepersonal dem einzelnen Patienten zur Verfügung stehe. „Das ist eine gute Entwicklung.“ Aber man müsse auch an die Arbeitsbedingungen auf den Stationen denken. „Viele unserer Pflegekräfte, Ärztinnen und Ärzte sind aus der Babyboomer-Generation und werden früher oder später in den Ruhestand gehen. Wir tun gut daran, die Bedingungen weiter zu verbessern, um auch attraktiv für Jüngere zu sein“, mahnt Prof. Marx.

Dass es dabei längst nicht nur um das ärztliche Personal, sondern auch um die Pflegenden gehe, betont Tilmann Müller-Wolff. Er ist Professor für Pflegewissenschaft an der Hochschule München und Sprecher der Division „Gesundheitsfachberufe“ in der DGAI. Als solcher weiß er: „Ohne Intensivpflegende funktioniert keine Intensivmedizin.“ Je höher die pflegerische Qualifikation, desto besser sei das Patientenoutcome. „Damit ist Intensivpflege für die gesamte Gesellschaft relevant und sorgt für ein hochwertig funktionierendes Gesundheitssystem“, sagt er und fordert von der Politik die Finanzierung von Bildungsgängen, mit denen Intensivpflegende für diese anspruchsvolle Tätigkeiten qualifiziert werden. „Pflegende, die sich in berufsbegleitenden Weiterbildungen oder Studiengängen qualifizieren, sollten dafür Ausgleiche erhalten, Kliniken die Weiterbildung und Studium anbieten, sollten dies refinanziert bekommen“, so Müller-Wolff